You Can Have it All
Karla Hiraldo Voleau nutzt die Mittel der Fotografie und der Performance, um ihren eigenen Körper, ihre Intimität und ihr Begehren radikal zu untersuchen. Autobiografische Ereignisse bilden oft den Ausgangspunkt für eine schonungslose Selbstbefragung. You Can Have It All (2019, 2024) nimmt einen Brief, den die Künstlerin an ihr fünfjähriges Ich schrieb, zum Anlass, über Liebesbeziehungen, Selbstakzeptanz und Emanzipation von gesellschaftlichen Erwartungen nachzudenken. In Form eines visuellen Tagebuchs dokumentiert die Künstlerin eine Solo-Reise nach Griechenland und nutzt die performative Aneignung ihres eigenen Aussehens, um das durch Körperdysmorphie verursachte Leiden anzusprechen und sich davon zu befreien.
Der zweite Teil der Arbeit, der als Antwort auf ihr jüngeres Ich gelesen werden kann, dokumentiert den Heilungsprozess fünf Jahre später, nach dem Scheitern einer Liebesbeziehung. Die Ausübung verschiedener transformativer und spiritueller Rituale wird zu einer Zone der Konfrontation und bietet die Möglichkeit, sich den eigenen Gefühlen und Ängsten zu stellen. Durch die Einbeziehung dieser Praktiken verleiht die Fotoserie auch verloren gegangenem Wissen, das oft als Hexerei verunglimpft wird, im Sinne eines feministischen Empowerments neue Sichtbarkeit. - Jana H. Haeckel
Doble Moral
In der Dominikanischen Republik ist der Schwangerschaftsabbruch unter allen Umständen illegal und wird mit bis zu 20 Jahren Haft geahndet. Trotz der internationalen Debatte werden die „tres causales“ (Inzest/Vergewaltigung, Gefahr für das Leben der Mutter, nicht lebensfähiger Fötus) immer noch nicht anerkannt. Die Abtreibung bleibt im Verborgenen, beeinflusst von einem frauenfeindlichen Christentum und einem tief verwurzelten Patriarchat. Viele Gespräche mit dominikanischen Aktivisten haben ergeben, dass Abtreibung trotz des Verbots eine gängige Praxis ist.
„Doble Moral“ will dominikanischen Frauen durch ihre Geschichten über illegale Abtreibungen und ermutigende, unterstützende fotografische Porträts eine Stimme geben. Das Projekt ist Preisträger des Picto-Talentpreises 2024 und Empfänger des CNAP-Stipendiums „Soutien à la photographie documentaire contemporaine“ 2023 + des Pro Helvetia-Forschungsreise-Stipendiums 2023 + des Lausanner „Soutien à la création“ 2023 + des Playsuisse x Basecamp Locarno-Stipendiums 2023. Es besteht aus 30 Testimonials und ebenso vielen Porträts und Selbstporträts - teilweise anonym, um die Identität der Teilnehmer zu schützen.
Another Love Story
‘Die Künstlerin präsentiert eine Reihe von Fotografien und Texten, die die letzten Monate ihrer Beziehung mit einem Mann rekonstruieren und wiedergeben, der aus Gründen der Anonymität X genannt wird. Karla Hiraldo Voleau erzählt von der Entdeckung des Doppellebens von X. Die Enthüllung findet während eines Telefongesprächs (das in der Ausstellung transkribiert wird) zwischen der Künstlerin und der anderen Lebensgefährtin von X statt, die selbst nichts von dem Doppelleben weiss. Was tun, wenn man sich seiner Geschichte beraubt sieht? Karla Hiraldo Voleau beschliesst, sich diese Geschichte wieder anzueignen, indem sie alle festgehaltenen Momente ihrer Beziehung mit Hilfe eines Schauspielers, den sie für die Rolle des Doppelgängers von X engagiert, in identischer Weise neu fotografiert. Die Wahl eines Doppelgängers ist gleichzeitig ein Mittel, um sich rechtlich zu schützen, aber auch ein fabelhaftes Mittel, das es der Künstlerin ermöglicht, sich von ihrem ehemaligen Liebhaber zu emanzipieren. Die Performerin und Fotografin Karla Hiraldo Voleau bietet eine Inszenierung ihrer eigenen Geschichte und macht die sozialen Codes, die Paaren anhaften, greifbar. 'Another Love Story' schlägt eine Reflexion über das fotografische Medium und seinen Platz als stummer Zeuge unseres Lebens vor. Hier gelingt es dem Bild nicht, die Wahrheit einer Beziehung einzufangen, sondern es beugt sich nur unseren Sehnsüchten, unseren Wünschen, um das Gefühl der Liebe freizulegen, auch wenn es schwer fassbar bleibt.’ – Clothilde Morette, Kuratorin
A Man In Public Space
Eine Woche lang schlüpfte Karla Hiraldo Voleau in die Haut ihres ‘männlichen Alter Ego’, um das veränderte Verhalten ihr gegenüber zu untersuchen und zu beobachten, wie sich ihr eigenes Verhalten veränderte. Ihre Untersuchungen erfolgten mittels Selbstportraits, Texten, Snapshots und Videoaufnahmen. So vermittelt sie den BetrachterInnen eine einzigartige wie auch erschreckende, amüsante und aufregende Erfahrung. Ihre Installation hinterfragt den Einfluss der Geschlechtsidentität auf unser Handeln und im öffentlichen Raum. Die ersten Bilder der Serie 'A Man In Public Space' sind in Lausanne entstanden und wurden 2021 im Rahmen der 'Bieler Fototage' gezeigt. Für den zweiten Teil der Serie hat Karla Hiraldo Voleau ihr Experiment wiederholt, dieses Mal in Paris. Inspiriert durch die zunehmenden feministischen Aktionen und durch Künstlerinnen wie Adrian Piper oder Katarzyna Kozyra, hat sie eine fotografische Performance über die Überschreitung der Geschlechterstereotypen und die mit ihnen verbundenen Codes geschaffen. Mit Hilfe der Special FX-Künstlerin Mélanie Vargas ist sie erneut in die Haut ihres 'männlichen Alter Ego' geschlüpft, um Fragen der Männlichkeit im öffentlichen Raum zu erforschen.
I Have Nothing to Tell You
Karla Hiraldo Voleau zeigt in ihrer Arbeit 'I Have Nothing to Tell You', den Austausch mit jungen JapanerInnen über persönliche Geheimnisse und Erfahrungen in der Liebe. Neuartige Angebote verschiedener Dienstleistungen im Bereich der Liebe für Frauen in Japan hatten sie neugierig auf die dortige Dating-Kultur gemacht. Die Künstlerin brachte die grossen kulturellen Unterschiede, vor allem in Bezug auf die Liebe, ihre eigene Liebesgeschichte und aktuelle Gefühle in den Austausch mit den JapanerInnen ein. Trotz grosser Sprachbarrieren gelang es ihr, den intimen Austausch persönlicher Geheimnisse auf den Dachterrassen Tokios durch das gegenseitige Beschreiben der Haut zu ermöglichen. ‘Ich bewundere, wie es Karla Hiraldo Voleau gelungen ist, Unsicherheiten und Schwierigkeiten auf einer persönlichen Ebene in ein Werk zu verwandeln, das universelle Fragen berührt. Es geht um die Frage, wie man sich wirklich mit Menschen verbindet, wie man im Kontakt mit anderen Trost findet und wie man Gefühle von Liebe und Verlust teilt’, bemerkt Kim Knoppers, Kuratorin am Foam Fotografiemuseum Amsterdam.
Hola Mi Amol
Die französisch-dominikanische Fotografin Karla Hiraldo Voleau ist mit einer ständigen Warnung aufgewachsen: 'Geh nie mit einem Dominikaner aus'. In 'Hola Mi Amol' kehrt Hiraldo Voleau in die Dominikanische Republik zurück, um ihre Augen auf die Körper der vielen Männer zu richten, denen sie begegnet, meist Männer, die im Tourismusgewerbe arbeiten. Dort erforscht sie Begehren, Sex und Liebe in diesem köstlichen, zarten und sexy Debüt. Ihre sinnlichen, uninszenierten, meist nackten Fotos der Männer, mit denen sie sich trifft, werden durch verletzliche Selbstporträts ihrer intimen Begegnungen unterstrichen. 'Hola Mi Amol' entfaltet sich zu einer Geschichte, die gleichzeitig heftig, lustig und mitfühlend ist. In der DR, ohne ihre Mutter, Tante oder Grossmutter (die sich dort alle verliebt, geheiratet oder ein Kind bekommen hatten) und ausserhalb der Sichtweite ihrer männlichen Verwandten, begibt sich Voleau an die Grenzen dessen, was sich in Sachen Liebe, Sexualität und Freundschaft 'erlaubt' anfühlt. Ihr Dokument dieser Grenze trägt unweigerlich eine Spur der oft brutalen Einsamkeit unserer Zeit in sich. Hiraldo Voleaus Neugier auf Erotik, Männlichkeit, kulturelle und rassische Identitäten und den Status des weiblichen Blicks schwingt in den Werken dieses raffinierten und beeindruckenden Debüts mit.