Miroslav Tichý

Der tschechische Fotograf Miroslav Tichý ist eine Ausnahmeerscheinung im Kunstbetrieb. Nach einem erfolgreichen Studium an der Kunstakademie führten die politischen Verhältnisse einerseits und persönliche Konflikte andererseits zu einem Bruch mit der Gesellschaft. In einem selbst gewählten sozialen und kulturellen Abseits wandte Tichý sich der Fotografie zu und schuf weitgehend unbemerkt von der Außenwelt ein Oeuvre von einzigartiger Qualität.

Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten veränderte sich sein Leben. Als Gegner des Regimes verbrachte er acht Jahre in Gefängnissen und psychiatrischen Einrichtungen. Danach wurde er zum Außenseiter und nahm Züge eines Obdachlosen oder Landstreichers an. Er trank viel, wusch sich nicht mehr und seine Kleidung bestand aus Lumpen. Nach dem Verlust seines Ateliers blieb ihm nur noch die Fotografie. Er stellte dafür auch ein paar eigene Kameras her, mit Linsen aus alten Brillengläsern oder geschliffenem Plexiglas, Objektiven aus Klorollen oder Konservendosen, Gehäusen aus Pappe, die mit Teer und Kaugummi zusammengehalten werden und einem Auslöser aus einem alten Gummiband.

Mit diesen Kameras macht er sich zeitweise täglich auf die Suche nach seinen Motiven. In erster Linie waren es Frauen, junge Mädchen beim Sonnenbaden oder im Park, ältere Frauen auf dem Markt und auf der Straße. Seine Vorliebe für Frauen und ihre Körper wird von einigen als Voyeurismus, von anderen als Hommage an die weibliche Figur bezeichnet. Er selbst sagt, er stelle nur dar, was wirklich sei. Bewundernswert ist auch die Menge an Fotografien, die er bisher gemacht hat. So hatte er über Jahrzehnte hinweg die Maxime, täglich eine bestimmte Anzahl an Bildern zu schießen, lange Zeit waren das 3 Filme à 36 Bilder pro Tag.

Die verschwommenen und verwaschenen Fotografien entwickelt er selbst, auf ihnen finden sich so gut wie immer Bromflecken, Fingerabdrücke oder auch das ein oder andere Mal eine mitentwickelte Fliege. Das alles gehört seiner Meinung zur Kunst dazu. Die Bilder selbst klebt er meist auf Pappe und malt ihnen manchmal mit Filzstiften bunte Rahmen. Hin und wieder „verbessert“ er die Bilder auch durch Nachzeichnen einiger Linien, z.B. der Augenbrauen oder der Beine. So entstehen ausschließlich Unikate. Seine Bilder wurden in New York, Berlin, Zürich und Frankfurt am Main ausgestellt.