Erik Madigan Heck (*1983) ist einer der jüngsten und vielversprechendsten amerikanischen Modefotografen der zeitgenössischen Kunstszene. In seiner relativ jungen Karriere entwickelte der Künstler eine persönliche Sichtweise auf die Mode, wie Nathalie Herschdorfer in ihrem Essay "Minimal and pure: Erik Madigan Heck fashion photos" unterstreicht. Sein Werk zeichnet sich durch einen klaren und unverwechselbaren Umgang mit Farben und Formen aus, wodurch sein Oeuvre einzigartig wird.
"Die Modefotografie ist 100 Jahre alt und hat seit Baron de Meyer und Edward Steichen, die zum ersten Mal in der Modewelt fotografierten, vielfältige Wege beschritten. Eine Zeit lang war der einzige Ort, an dem man eine Modefotografie sehen konnte, in einer Zeitschrift oder vielleicht an der Schlafzimmerwand eines Teenagermädchens, aber die Dinge haben sich geändert: Museen mit grossen Ausstellungen, Galerien und Auktionshäusern, die Abzüge verkaufen, und Verlage, die ständig neue Bücher veröffentlichen, die der Modefotografie gewidmet sind. Ikonische Bilder von Horst P. Horst, Erwin Blumenfeld, Irving Penn, Guy Bourdin, Richard Avedon oder Helmut Newton sind in unsere Kulturgeschichte eingegangen und werden zu Rekordpreisen verkauft. Die Modefotografie, die nicht mehr als frivol angesehen wird, wurde zur Kunstform erhoben.
Die Bildsprache von Erik Madigan Heck ist in dieser Hinsicht erstaunlich. In seiner relativ jungen Karriere hat er eine sehr persönliche Sichtweise auf die Mode entwickelt. Ein Blick in sein Buch Old Future, das in diesem Jahr bei Thames & Hudson erschienen ist, zeigt einen klaren und unverwechselbaren Umgang mit Farben und Formen, die seine Handschrift bilden. Die hier abgebildete Serie wurde im April 2017 im New York Times Magazine veröffentlicht. Es war Hecks Idee, ein Modeportfolio für Comme des Garçons zu erstellen, um die Lancierung der jüngsten Ausstellung von Rei Kawakubo im Metropolitan Museum of Art zu begleiten, in einem Magazin, das normalerweise Modeseiten ausschliesst. Auch dies ist ein Beispiel für Hecks einzigartigen Ansatz: die Arbeit mit einem Non-Fashion-Magazin und die Konzentration auf Kawakubos Arbeit - eine Designerin, die sich bemüht, über die Mode hinauszugehen und sich in abstrakten Bilder auszudrücken, anstatt nur Kleidung zu entwerfen.
Heck erhielt Unterstützung sowohl vom New York Times Magazine als auch von Comme des Garçons, um sechs Arbeiten aus der Herbstkollektion 2017 zu fotografieren. Minimal und pur, die Farben in Hecks Fotografien schwingen mit der Palette der Kleidung von Rei Kawakubo mit. Unter dem Titel Future of Silhouette treibt die Serie die Modefotografie in einem neuen Ausmass voran. Die Geschichte der Modefotografie dokumentiert, dass das Pendel immer zwischen künstlicher und natürlicher Schönheit hin- und hergeschwenkt ist, aber die Obsession von einem gesunden Körper, der schlank, makellos und jung ist, blieb. Hier wird der Körper nach anderen Kriterien dargestellt. In den letzten 40 Jahren hat Kawakubo die Mode in Frage gestellt; diese Kollektion arbeitet mit Rohmaterialien - was Kawakubo als "nonfabrics" bezeichnet. Heck lotet mit seiner Fotografie neue Grenzen aus und schafft Bilder, die über die traditionelle Modefotografie hinausgehen. Sorgfältig konstruiert und mit leuchtenden Farben veredelt, die Grenzen zwischen Kleidung und Hintergrund verwischend, spielen seine Gemälde mit dieser Idee der zukünftigen Silhouetten.
Die Modefotografie ist oft paradox: Sie ist sowohl kreativ als auch kommerziell - auf Bestellung produziert, erzeugt aber gleichzeitig progressive, experimentelle, sowie künstlerische Bilder - und repräsentiert zudem gleichzeitig Haute Couture und Populärkultur. Die Modefotografie kann als Kunstform betrachtet werden, aber es ist noch immer eine Industrie, die eine andere bedient (ob High Fashion, Ready-to-Wear, Accessoires oder Kosmetik). Fotografen und Modedesigner produzieren Arbeiten, die zeigen, dass Schönheit keine starre Form ist, sondern sich ständig verändert. Kawakubo zeigt auch, dass es sich um ein sich immer weiter entwickelndes Ideal handelt. Diese gemeinsame Idee der Metamorphose zeigt sich in den Fotografien, die Heck für Comme des Garçons geschaffen hat.
Heck arbeitet mit Künstlern zusammen, die er bewundert, sowohl in der Mode als auch in der Kunst. Kawakubo gehört zu dieser Gruppe. "Als ich anfing, verschiedene Marken und ihre Designer zu erforschen - vom Mainstream bis hin zu den eher obskuren - begann ich, Mode als Kunstform mit eigener Sprache, Ästhetik und kreativen Möglichkeiten zu sehen", schreibt er in Old Future. Er würde sicher zustimmen, dass die Modefotografie die jüngere Schwester der modernen Kunst ist.
Im 20. Jahrhundert traten Fotografen häufig aus der Kunstwelt in die Modewelt. Edward Steichen spielte zusammen mit Alfred Stieglitz, dem Gründer der Zeitschrift Camera Work, eine aktive Rolle in der New Yorker Galerie 291, in der die moderne Kunst erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts ausgestellt wurde; Man Ray und Erwin Blumenfeld waren eng mit den dadaistischen Malern verbunden; George Hoyningen-Huene war Schüler des Künstlers André Lhote und Man Ray; William Klein studierte bei den Malern André Lhote und Fernand Léger; Horst P. Horst war Assistent des Architekten Le Corbusier und arbeitete mit Salvador Dali zusammen. Auch Heck sagt, dass er die Malerei immer als Leitfaden für den Gebrauch von Farben angesehen hat. Seine Inspiration fand er nicht in der Fotografie, sondern in der Malerei, Maler wie Edouard Vuillard, Edgar Degas, Peter Doig, Marlene Dumas und Gerhard Richter beeinflussten den Künstler. Für Heck ist Kunst ein Kontinuum, aus dem man schöpfen soll."
– Nathalie Herschdorfer