Les Statues Meurent Aussi
Ich bin schön, ihr Sterblichen! Wie ein Traum aus Stein...' Charles Baudelaire, Die Schönheit (1857)
Wenn Männer tot sind, gehen sie in die Geschichte ein. Wenn Statuen tot sind, treten sie in die Kunst ein. Diese Botanik des Todes ist das, was wir Kultur nennen. So beginnt der Film 'Les statues meurent aussi' (1953) von Alain Resnais und Chris Marker.
Marianne Marić greift dieses schöne Zitat auf, um eine Fotoserie zu betiteln, in der diese Botanik des Todes, die wir Kultur nennen, in umgekehrter Form inszeniert wird. Lebende Modelle erscheinen, Freunde und Musen der Künstlerin, nackt oder teilweise nackt, in einer körperlichen Beziehung, manchmal akrobatisch und skurril, immer erotisch, mit Marmor- oder Bronzestatuen, die durch diese Intimität mit den Lebenden wiederbelebt scheinen. Die Liebe zu Statuen hat einen Namen: Agalmatophilie. Zahlreiche Berichte belegen, dass man eine Beziehung zu Kunstwerken haben kann, die der leidenschaftlichen Liebe und ihren fetischistischen Varianten näher steht als dem gelassenen und kontemplativen Vergnügen, das man dem Kenner gerne zuschreibt. [...] Von der Liebe zur Kunst zur Liebe zu allem ist es nur ein Schritt", sagt die Neurologin und Wissenschaftshistorikerin Laura Bossi bei der Vorstellung ihres Buches "De l'agalmatophilie" (2012). Am Anfang war Pygmalion in Ovids Metamorphosen, der sich in seine Schöpfung verliebt, eine Statue, der die Göttin Venus Leben schenkt. Entfernt von der Botanik des Todes, von der Kultur, vom Status eines Kunstwerks, wird die Statue zu einem Scheinbild: ein zweideutiger Zustand, geboren aus menschlicher Illusion und göttlichem - oder fotografischem - Zauber. Diese Zweideutigkeit scheint in den Serien von Marianne Marić auf das Leben ihrer Modelle einzuwirken, die vom Blitzlicht der Kamera eingefangen und von der Pose versteinert werden. Diese fleischliche Zweideutigkeit des Lebendigen, das vom Toten eingefangen wird, und umgekehrt, der Figur, die lebendig wird, und des Körpers, der erstarrt, ist auch die Inszenierung oder Teilung des Körpers als Objekt und Subjekt: Was ist die Natur des Modells? Als begehrendes Modell und Objekt der Begierde ist das Modell des Fotografen ein Doppelagent.